Impressionen in Schwarz-Weiß

Chronik 1908 - 1969

„Im Blick auf das laute Wirtshaustreiben muß man sich fast wünschen, daß der Verdienst noch mehr zurückgehen möchte. Die Jugend war in diesem Jahr ganz außer Rand und Band und die Eltern sehen es nicht oder wollten es nicht sehen. Auf der anderen Seite war auch wieder viel Freude über junge Leute, aus deren Mitte die Anregung zur Gründung eines Jünglingsvereins kam. Wenn nur nicht jede derartige Freude für den Pfarrer mit der Frage verbunden wäre, „wie lange hälts Du Einfluß über sie.“ Pfr. Lebeau, 1908. Mit diesen Worten ist also die Gründung des „Jünglingsvereins“ – heute CVJM -dokumentiert. Von den frühen Anfangszeiten des Jünglingsvereins liegen einige Briefe von dem damaligen Pfarrer Lebeau an den Westdeutschen Jünglingsbund (heute CVJM Westbund) vor. Diese Briefe sagen einiges über die damaligen Umstände und die Vereinsstruktur aus. So heißt es in einem Brief, der am 15. September 1910 in Barmen (Sitz des Westd. Jünglingsbundes) eingetroffen war, unter anderem: „Einige Mitglieder unseres Vereins, die kürzlich Herrn Sekretär Weber (Anm. d. Redaktion: Irgendwann vor 1922 wurden die „Sekretäre“ in „Bundeswarte“ umbenannt) in Sechshelden – Dillenburg hörten, erzählten mir, daß Herr Sekretär im Winter den Dillkreis bereisen soll. Daraufhin bitte ich herzlich, uns Herrn Sekretär einige Tage nach Hirzenhain zu senden. Unser Verein ist noch jung; das Verständnis dafür im Ort vielfach noch sehr gering, so daß eine derartige Anregung der Vereinssache wie den Vereinsmitgliedern gewiß von großem Nutzen wäre. […] Zugleich bitte ich um Rat, wie man eine Jugendabteilung am besten einrichtet und zusammenhält. Wir haben noch keine; ich möchte aber, so Gott will, im Winter eine solche einrichten. Die ganzen Lebensverhältnisse sind hier derart, daß unsere Jugend keinerlei Interesse für irgendeine Weiterbildung hat. Natürlich kommen und bleiben sie mir nicht, wenn die Jungens nur eine Bibelbesprechstunde haben sollen. Ich dachte an Spiele, Lichtbilder, Handarbeiten, illustrierte Zeitschriften, entsprechende frische Lieder zum Einüben u.s.w. Wollen Sie mir bitte aus ihrer reichen Erfahrung mitteilen, womit wir am besten anfangen, und wo entsprechendes Rüstzeug preiswert zu erstehen ist. […] Im Jahre 1922 zählte der Verein dann schon 30 Mitglieder, von denen immerhin 10 Mitglieder unter 21 Jahre alt waren. Der Posaunenchor war eine Abteilung des Jünglingsvereins. 1929 ruhte der Verein, Pfr. Hanstein meldete ihn im Jahr darauf jedoch beim Westdeutschen Jünglingsbund wieder als aktiv mit 16 ordentlichen Mitgliedern. Zu dieser Zeit verstärkte auch ein Mundharmonikachor die musikalische Sparte des Vereins.Der Beitrag betrug damals (abhängig vom Lohn) zwischen 50 Pfg. und 1 Mark im Monat. Zwischen 1932 und 1934 erfolgte die Umbenennung von „Evangelischer Jungmännerbund Hirzenhain“ in CVJM Hirzenhain.

Nachdem der C hristliche V erein J unger M änner in den Nazijahren verboten war und die Mitgliederzahl im Dorf gleich Null war, kam es nach dem Krieg zur Neugründung. Pfarrer Martin Vömel war sicherlich ein Glücksfall für den CVJM. Er besetzte von 1945 – 1950 die Pfarrstelle in Hirzenhain und ließ den CVJM neu aufleben.

Damals sah die CVJM- Arbeit noch etwas anders aus als heute; es gab neben der Jungschar nur eine Gruppe (ausschließlich Männer, versteht sich), die sich Sonntagsabends zur „Jungmännerstunde“ im Vereinshaus am Kurzbeul traf. Alle jungen Männer ab 14 Jahren waren zu dieser Stunde eingeladen, Altersgrenze nach oben offen. Die Stunde hielt Pfr. Vömel; zu Beginn jeder Stunde gab es ca. 10 min. Bibelkunde, danach Bibelarbeiten, Spiele oder Biblische Geschichten.

Aber auch für Hirzenhains junge Damen stand eine Stunde zur Verfügung, und zwar der Mädchenkreis am Freitagabend, den Frau Vömel betreute. Allerdings- und das mag vor allem jüngere Leser überraschen- gab es neben den Gruppenstunden noch vielfältige andere Aktivitäten. Ältere Leser denken vielleicht jetzt spontan an die Theaterspiele, die auf den Jahresfesten des CVJM für die ganze Gemeinde von Mitgliedern der Jungmännerstunde und des Mädchenkreises aufgeführt wurden. In Zeiten ohne Fernsehen, Computer und einer handvoll Radios im Dorf war diese Art der Unterhaltung eine absolute Attraktion. Das Vereinshaus war folglich nicht nur bei der Uraufführung eines Stückes zum Bersten gefüllt, und auch in umliegenden Dörfern waren die Laienspiele gerne gesehen. Ein „Kreisfest“ des CVJM veranstaltete Pfr. Vömel jährlich am Sonntag Exaudi an der Flughalle am Eiershäuser Hang, zu dem sich aus dem gesamten Dillkreis CVJM – Gruppen einfanden. Auf diesen Jugendtreffen sangen verschiedene Chöre, Posaunenchöre traten auf und es wurden Gottesdienste gehalten.

Erwähnenswert ist noch, daß neben den Gruppenstunden sowohl für die männlichen als auch für die weiblichen Gemeindemitglieder eine Gebetsstunde angeboten wurde – für die Mädchen am Sonntagabend und für die Männer am Freitagabend. Das war parallel zu den Zeiten, an denen Mädchenkreis bzw. Jungmännerstunde stattfand. Und das war gewollt – denn damals wie heute bestand natürlich ab einem gewissen Alter reges Interesse am anderen Geschlecht, und niemand sollte wegen Braut – oder Bräutigamschau – Aktivitäten vom Besuch einer Gruppenstunde abgehalten werden. Die Besucher der jeweiligen Gebetsstunden und der Jungmännerstunde bzw. des Mädchenkreises waren übrigens identisch.

Das Angebot für die Jugend im Dorf war sehr begrenzt, und man war längst nicht so zahlreich motorisiert wie heute. Nicht zuletzt diese Umstände dürften die für die heutigen Verhältnisse sehr große Zahl der Gruppenbesucher erklären. „Man ging halt dorthin“- so der Tenor vieler Zeitzeugen- „denn es gab nichts anderes“. Die schweren Nachkriegsjahre trugen sicherlich dazu bei, daß der Zulauf in die Kirchen und christlichen Vereinigungen forciert wurde. Allerdings suchen heute wie damals besonders Jugendliche nach Orientierung und Halt, und es ist eine große Herausforderung unserer Zeit, inmitten von Reizüberflutung und totalem Überangebot für die jungen Leute den Christlichen Glauben bekannt und erstrebenswert zu machen. Aber zurück in die Nachkriegszeit: Pfr. Vömel fuhr mit den Teilnehmern seiner Jungmännerstunde jährlich zu einer ca. einwöchigen Freizeit nach Burg Hohensolms- auf der Ladefläche eines LKW’s, der vom Fuhrunternehmern Erwin Hermann (Poststraße) zur Verfügung gestellt wurde, oder es wurde mit dem Fahrrad gefahren. Auch der Mädchenkreis fuhr zu Freizeiten nach Hohensolms. Pfr. Vömel gab als „Weihnachtsgeschenk“ für die Gemeindemitglieder jährlich ein Heft heraus, in dem ein Rückblick auf die letzte Freizeit stand und Betrachtungen der dort besprochenen Bibeltexte. Für diesen Teilabschnitt unserer Chronik gibt es wohl keinen besseren Abschluß, als Pfr. Vömel mit Sätzen aus seinem Heft „Hohensolms 1948“ zu Wort kommen zu lassen- Sätze, die die Zeit und die Umstände wohl sehr gut charakterisieren dürften: „Seit Kriegsende war es in diesem Jahr das dritte Mal, daß wir unser Bündel schnüren durften und es hieß: „Auf nach Hohensolms!“ Und jedesmal wußten wir nicht, ob es das letzte Mal sei. Inmitten dieser friedlosen und unheilschwangeren Zeit durften wir jedesmal neu diese Tage des Friedens und der Freude als ein unverdientes Geschenk unseres treuen Herrn hinnehmen ! […] In diese Tage der Stille auf der alten Ritterburg und den lauschigen Plätzchen um sie her, in unsere fröhlichen Spiele und Wanderungen, in die Stunden der Nähe Gottes unter seinem Wort- fielen die Schüsse am Brandenburger Tor, flogen die Nachrichten vom Scheitern so mancher Friedenskonferenz und dem großen Blutvergießen im Heiligen Lande, und über unsere Burg suchten dröhnend die Lastenflieger ihren Weg ins belagerte Berlin. Aber gerade das machte uns hellhörig für den, der uns aus all dieser Hoffnungslosigkeit und Sinnlosigkeit herausruft in Seine Nachfolge. […] Er ruft uns zu: Sehet zu, erschrecket nicht, das muß zum ersten alles geschehen. Wer aber beharret bis ans Ende, der wird selig !“ (Matth. 24). […]

In wohl jedem Verein ist es so, daß es gewisse Zeiten gibt, in denen viel passiert, und Zeiten, die nicht ganz so ereignisreich sind. Aus diesem Grunde nimmt der Umfang der Chronik- Kapitel ab hier ab; die Jahre 1945 – 1949 sind aus den im vorherigen Kapitel beschriebenen Umständen einmalig und bedürfen so natürlich auch mehr Platz. Nun aber wieder zum Wesentlichen: Wie dem Leser mittlerweile bekannt sein dürfte, wurde das Vereinshaus auch zum Sporttreiben benutzt. Der Vorstand von 1950 mit seinem Vorsitzenden Pfr. Helms machte sich natürlich auch hierzu seine Gedanken, so daß in einem Bericht über eine Vorstandssitzung von 1950 sinngemäß folgendes nachzulesen ist (schmunzeln erlaubt): „Sporttreiben und Körperliche Ertüchtigung wird ausdrücklich begrüßt, solange dabei Zucht und Ordnung eingehalten werden. Als einzige Sportart, die nicht im Vereinshaus erwünscht ist, gilt das Boxen. Boxen ist ein roher Sport und dient nicht der körperlichen Ertüchtigung. […] Von den jeweiligen Übungsleitern ist zu überwachen, daß Zucht und Ordnung eingehalten werden. Wenn Zucht und Ordnung eingehalten werden, ist auch gegen das Boxen im Vereinshaus nichts einzuwenden.“ […] Obwohl Pfr. Vömel mittlerweile längst in Düsselthal eine Stelle angetreten hatte, brach der Kontakt zu Hirzenhain nicht ab. So führte er 1951 noch einmal eine Freizeit in Hohensolms durch. Hoher Besuch war im Februar 1952 zu vermelden: Der Bundeswart des „Westdeutschen Jungmännerbundes“ (so der Name vor der Umbenennung 1970 in CVJM Westbund), Johannes Busch, fand den Weg nach Hirzenhain. Die ersten negativen Berichte nach den „Goldenen Zeiten“- so erscheinen sie wenigstens denen, die nicht dabei waren- erschienen im Jahre 1954. Der CVJM Hirzenhain hatte längst nicht mehr den Zulauf wie direkt nach dem Krieg. Auf der Generalversammlung 1954 bemängelte ein Mitglied, daß die Reihen sich gelichtet haben, die Pünktlichkeit nachläßt und die Gemeinschaft mangelhaft sei. Und in der Tat hatte der CVJM vor allem in den Jahren 1952 – 1954 mit starken Mitgliederschwankungen zu kämpfen. Viele, die eintraten, traten kurz darauf wieder aus, und auch langjährige Mitglieder gaben ihre Mitgliedschaft auf. Die Gründe dafür sind heute schwer rekonstruierbar und waren sicher vielfältig.

Die 60er Jahre waren das Jahrzehnt der Gründungen, und vor allem begann die große Zeit der Jungscharzeltlager und -freizeiten. 1961 wurde eine Tischtennis- Mannschaft ins Leben gerufen, zwei Jahre später eine Handballmannschaft. Ebenfalls im Jahre 1963, und zwar im März, wurde ein Männerchor gegründet. Von der Jahreshauptversammlung 1963 ist überliefert, daß die Jungscharstunde mit durchschnittlich 5 Jungen nur noch sehr schlecht besucht wurde- was erneut zeigt, daß auch vor über 30 Jahren schon solche Probleme bestanden.1964 konnte die „Eichenkreuz- Sportstunde“ (Anmerkung: Mit „Eichenkreuz- Arbeit“ wird der CVJM- Sport bis zum heutigen Tage bezeichnet) erstmals in der Turnhalle der Herbert- Hoover- Schule stattfinden. Wie eingangs schon angedeutet, fanden in den 60ern viele Freizeiten und Zeltlager statt. So führte Pfr. Eckhardt 1961, 1962 und 1964 eine Freizeit auf Burg Hohensolms durch, und es gab in jedem Jahr ein Jungscharzeltlager.

Festzug beim Dorfjubiläum 750 Jahre Hirzenhain

751 Jahre Hirzenhain

„Fruier i Hirzehoa“ Teil 2: Rare Fotos aus der Vergangenheit des Segelfliegerdorfs

Eschenburg-Hirzenhain (jh) – Das Jahr 1 nach dem 750. Ortsgeburtstag Hirzenhains. Auf ein Neues. Auch für 2020 gibt es wieder einen historischen Jahreskalender: „Fruier i Hirzehoa“ Teil 2. Nachdem der Erstling so viele Freunde und Abnehmer gefunden hatte, ist inzwischen auch das Nachfolgeprodukt erschienen – in einer inhaltlich und optisch komplett überarbeiteten Version, im DIN-A-3-Querformat und mit erweitertem Textteil. Letzteres deshalb, weil die Geschichte(n) hinter den Fotos ja nicht selten interessanter als das Foto selbst sind.

Als Herausgeber des aufwändig gestalteten Druckwerks zeichnet die Evangelische Kirchengemeinde verantwortlich. Das offiziell erste Exemplar überreichte Pfarrer Michael Brück am Dienstag an Bürgermeister Götz Konrad. Es bekommt dann als Wandschmuck einen Ehrenplatz im Büro des Eschenburger Rathaus-Chefs.In vielen Hirzenhainer Haushalten dürfte der Jahresbegleiter eine ähnliche und keinesfalls nur auf das Dekorative beschränkte Verwendung finden. Weil er, wie der Bürgermeister anmerkte, „ eben mehr ist als ein profanes Kalendarium, sondern auch den Blick zurück auf die Dorfgeschichte weist, Brücken in die Hirzenhainer Vergangenheit baut und nebenbei zeigt, wie sich der Ort im Laufe der Jahrzehnte verändert hat“.

In Begleitung des Hirzenhainer Pfarrers: Helmut Götzl und Hilda Hain. Letztere als Vertreterin der katholischen Pfarrgemeinde, ersterer als der Mann, aus dessen Fundus die meisten Fotos des Kalendariums stammen. Sein Vater Josef Götzl hatte als Chronist mit seiner Leica über Jahrzehnte Alltagsszenen, Mitmenschen, Ortsansichten, Momentaufnahmen, Stilleben und Landschaften festgehalten und so dem Dorf und seinen Bewohnern ein lichtbildnerisches Denkmal gesetzt. Aber auch in privaten Archiven fand sich so manch bis dato übersehener und somit ungehobener Fotoschatz – in verstaubten Schuhkartons auf dem Dachboden oder in vergilbten Kuverts im hintersten Schrankfach zwischen zerfledderten Zeitungsausschnitten und verblassten Briefen.
Dies ist ein Gemeinschaftsprojekt der evangelischen Kirchen- und der katholischen Pfarrgemeinde. Der Erlös fließt beiden Seiten zu gleichen Teilen zu. Die Katholiken sind auf jeden Cent angewiesen, weil sie für den Unterhalt ihrer Pfarrkirche inzwischen alleine gerade stehen müssen. Und die Protestanten stehen vor der kostspieligen Herausforderung, den Turm ihres fast 300 Jahre alten Gotteshauses sanieren zu müssen. Insofern sind die Mittel gut angelegt. Trotz gestiegener Herstellungskosten bleibt es aber mit 10 EUR beim Verkaufspreis der Erstausgabe von 2019.
Das ist sicherlich auch ein schönes und passendes Weihnachtsgeschenk für all jene, die sich Hirzenhain verbunden fühlen, aber auch für solche Hirzenhainer, die es inzwischen in alle Winde verschlagen hat, die aber ihre Wurzeln nicht vergessen haben. Erhältlich ist der Kalender im örtlichen Einzelhandel: im Lebensmittelmarkt Baum, der Metzgerei Müller, dem Blumenhaus Schwehn, in der Bädergalerie und der hiesigen Filiale der VR-Bank Lahn-Dill.